Die Fehler in: Der Bundeswahlleiter: Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009, Heft 5, Textliche Auswertung der Wahlergebnisse

Quelle

S. 44, Tabelle 23:

In der Spaltenbeschriftung fehlen Auslassungspunkte zwischen "Wahlberechtigten" und "haben", daher lesen sich die Spaltennamen wie z.B. „Von 100 Wahlberechtigten haben gewählt – mit Wahlschein“ anstatt dem gemeinten „Von 100 Wahlberechtigten – mit Wahlschein – haben gewählt“ (der Unterschied ist 8,72 % zu 91,9 %).(Korrekt eigentlich 4.996.501 von 5.440.154 = 91,8 % wegen der 838 Wähler nach § 24 Abs. 2 EuWO).

S. 43, Text:

"Die geringfügige Zunahme von 0,3 Prozentpunkten der Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten insgesamt gegenüber 2004 beruhte nicht auf den Wahlberechtigten ohne Wahlschein, deren Wahlbeteiligung um 0,6 Prozentpunkte sank, sondern auf den Wahlberechtigten mit Wahlschein deren Wahlbeteiligung um 0,9 Prozentpunkte stieg."

Die Prozentzahlen beziehen sich auf Tabelle 23, S.44. Diese sogenannte Wahlbeteiligungen der Wähler mit/ohne Wahlschein lassen sich weder mit der normalen Wahlbeteiligung noch untereinander vergleichen, weil jede Zahl eine unterschiedliche Berechnungsgrundlage hat (Alle Wähler, Wähler mit/ohne Wahlschein). Auch werden alle Verstorbene, Karteileichen und notorischen Nichtwähler zwangsläufig der Gruppe "ohne Wahlschein" zugeschlagen, da bei den Wahlscheininhabern nur Personen enthalten sind, die den Wahlprozess schon begonnen haben, indem sie ihren Wahlschein beantragt haben.

Die Spalte "Von 100 Wahlberechtigten mit Wahlschein haben gewählt" gibt effektiv nur an, wieviel Prozent der Wähler, die einen Wahlschein/Briefwahl beantragt haben, diesen dann auch zum Wählen benutzt haben. Es ist also eher eine Abstimm-Quote der ausgestellten Wahlschein als eine Wahlbeteiligung der Wähler mit Wahlschein. Im Extrembeispiel von nur 100 Wählern bei der EP-Wahl 2009, 99 ohne Wahlschein und einem mit (der Briefwahlunterlagen beantragt und einschickt) ergäbe sich nach den Rechenweise des Bundeswahlleiters folgende Wahlbeteiligungen:

Von 100 Wahlberechtigten ... haben gewählt
insgesamtohne Wahlscheinmit Wahlschein
100 von 62.222.873 = 0,00016 %
(Wahlbeteiligung)
99 von 62.222.774 = 0,00016 %
(sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler ohne Wahlschein")
1 von 1 = 100 %
(sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler mit Wahlschein")

Obwohl also viel mehr Wähler ohne Wahlschein an der Wahl teilgenommen hätten, wäre ihre "Wahlbeteiligung" nach Rechenart des Bundeswahlleiters viel niedriger, als die der Wähler mit Wahlschein. Ein Vergleich der Zahlen ist also nicht sinnvoll.

Ein anderes Beispiel: Bei der EP-Wahl 2009 bleiben alle Zahlen gleich, außer, dass die 442.815 Wähler, die einen Wahlschein beantragt ohne ihn zu benutzen, den Wahlschein erst garnicht beantragen.

2009Beispiel
Wahlberechtigte 62.222.873 62.222.873
Wahlberechtigte ohne WS56.782.719 57.225.534
Wahlberechtigte mit WS5.439.316 4.996.501
Nach § 24 838 838
Wähler26.923.614 26.923.614
Wähler mit WS4.996.501 4.996.501
Wähler ohne WS21.927.113 21.927.113

Damit ergäbe sich folgende Tabelle (vergleiche mit Tabelle 23 S. 44):

Von 100 Wahlberechtigten ... haben gewählt
insgesamtohne Wahlscheinmit Wahlschein
26.923.614 von 62.222.873 = 43,3 %
(Wahlbeteiligung)
21.927.113 von 57.225.534 = 38,3 %
(sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler ohne Wahlschein")
4.996.501 von 4.996.501 = 100 %
(sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler mit Wahlschein")

Obwohl keine einzige Stimme anders abgegeben worden wäre, wäre die sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler ohne Wahlschein" von 38,6 % auf 38,3 % gefallen und die sogenannte "Wahlbeteiligung der Wähler mit Wahlschein" von 91,9 % auf 100 % gestiegen. Nur wegen einer Änderung bei den unbenutzten Wahlscheinen. Die echte Wahlbeteiligung bliebe natürlich gleich. Ergo: Es gibt keine direkte mathematische Abhängigkeit zwischen den sogenannten "Wahlbeteiligungen der Wähler mit/ohne Wahlschein" und der richtigen Wahlbeteiligung.

S. 45:

„Die Wahlbeteiligung der Personen mit Briefwahlunterlagen unter den Wahlberechtigten mit Wahlschein lässt sich nicht genau ermitteln, da, über die Zahl der Personen, an die Unterlagen für die Briefwahl ausgegeben wurden, keine genauen Angaben vorliegen.“

Seit der Änderung von § 27 Abs. 3 EuWO in 2008 werden allen Wählern, die einen Wahlschein bekommen, auch immer die Briefwahlunterlagen übergeben. Das heißt, bei der EP-Wahl 2009 sollte jeder Wahlscheininhaber Briefwahlunterlagen bekommen haben. Rechtsgrundlage:

§ 27 Abs. 3 EuWO bis 2008 (BGBl. I Nr. 28 vom 10. Mai 1994):

(3) Ergibt sich aus dem Wahlscheinantrag nicht, daß der Wahlberechtigte vor einem Wahlvorstand wählen will, so sind dem Wahlschein bezufügen
1. ein amtlicher Stimmzettel nach dem Muster der Anlage 22,
2. ein amtlicher Stimmzettelumschlag nach dem Muster der Anlage 9,
3. ein amtlicher Wahlbriefumschlag nach dem Muster der Anlage 10 ...

 

§ 27 Abs. 3 EuWO seit 2008:

(3) Dem Wahlschein sind beizufügen
1. ein amtlicher Stimmzettel nach dem Muster der Anlage 22,
2. ein amtlicher Stimmzettelumschlag nach dem Muster der Anlage 9,
3. ein amtlicher Wahlbriefumschlag nach dem Muster der Anlage 10 ...